50 Jahre Sammelleidenschaft
- Thorsten Kambach
- 27. Nov. 2024
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 12. Jan.
05.11.2019 in der Münsterschen Zeitung von Martin Kalitschke | Was mit einem Spontankauf in München 1970 begann, ist heute eine stattliche Kunstsammlung: Der Investor Andreas Deilmann hat diese erstmals gezeigt - und die spannenden Geschichten dahinter erzählt.

München, 1970. Auf dem Weg von seiner Studentenbude in Nymphenburg zur Universität kommt der 19-jährige Andreas Deilmann jeden Morgen an einem Trödelladen vorbei. Die beiden älteren Damen bieten vor allem Kitsch an. Doch eines Tages steht plötzlich ein Nagelkunstwerk im Fenster. Deilmann bleibt abrupt stehen, schaut genauer hin und weiß sofort: „Das ist ein Kunstwerk von Günther Uecker!“ Der junge Mann geht in das Geschäft, stellt sich dumm – doch die beiden Damen wissen, was sie da im Fenster stehen haben. „Was soll es kosten?“, fragt Deilmann. „1000 Mark.“
„Das war für mich natürlich eine Menge Geld“, sagt Deilmann, der sich später einen Namen als Architekt und Investor millionenschwerer Projekte machen wird. Dennoch kauft er den Uecker. „Dafür löste ich meine Ersparnisse auf, von denen ich eine Stereoanlage kaufen wollte.“ Deilmann tat genau das Richtige – kürzlich, so sagt er, habe ein Gutachter den Wert des Nagelobjekts auf 750.000 Euro geschätzt.


Werke in Stiftung überführt
Mit Uecker begann Deilmanns Sammlertätigkeit. Von seiner heute umfangreichen Kollektion hat er kürzlich zunächst 70 Werke in eine Stiftung überführt – weitere sollen folgen. „Die Stiftung ist noch ganz am Anfang“, sagt Deilmann.
Große Namen sind darunter: Andy Warhol, Le Corbusier, Helmut Newton, Ernst Barlach, Yves Klein, Markus Lüpertz, Heinz Mack – um nur einige zu nennen. Mindestens genauso beeindruckend sind die Geschichten, die Deilmann zu den Werken erzählen kann.
Den Grundstein für sein Interesse an der Kunst legte sein Vater Harald Deilmann (1920-2008), der unter anderem das Theater Münster, die Gievenbecker St.-Michael-Kirche, die Westlotto-Verwaltung an der Weseler Straße und weitere Gebäude in ganz Deutschland baute. „Als ich ein Kind war, ging es sonntags in den Dom“, erinnert sich Andreas Deilmann (67) – „und danach in die Galerie Wilbrand.“
Ein Bild, das einmal in dieser Galerie hing, hat Deilmann Anfang Dezember in Köln ersteigert: „Rotes Rund“ von Rupprecht Geiger, einem seiner Lieblingskünstler. „Für 200.000 Euro, ich wollte es einfach haben, seit 40 Jahren war ich hinter Geiger her“, sagt Deilmann. Vielleicht, so grübelt er, hat er das „Rote Rund“ ja vor einem halben Jahrhundert bei einem seiner sonntäglichen Galerie-Besuche mit seinem Vater zum ersten Mal gesehen. . .

Sein Vater traf Andy Warhol in New York
Ein großformatiges Bild seines Vaters hat 1980 die Pop-Art-Legende Andy Warhol geschaffen. „Mein Vater war in New York und traf zufällig einen Bekannten, den Galeristen Hans Mayer. Der war gerade auf dem Weg zu Warhols Factory und fragte meinen Vater, ob er nicht mitkommen wolle.“ Natürlich ging er mit. Warhol machte ein paar Polaroids von Harald Deilmann. Später schenkte ihm Mayer das Portrait, das Warhol nach den Polaroids angefertigt hatte, zum Geburtstag.
Ein paar Jahre danach lernte auch Andreas Deilmann Warhol kennen, bei einem Empfang von Mayer in Düsseldorf. Ebenfalls bei einem Mayer-Empfang begegnete er Keith Haring, und auch Markus Lüpertz lernte er persönlich kennen. Den besuchte er sogar in seinem Atelier und kaufte gleich, ganz spontan, zwei Portraitbilder.
Günstig gekauft, im Wert gestiegen
Auf einem Tisch in der Galerie von Claus Steinrötter, in der Deilmann bis Ende Januar eine Auswahl aus seiner Sammlung präsentiert, steht eine große Skulptur – „Der singende Mann“ von Ernst Barlach (1928). „Der wurde von Flechtheim gegossen“, sagt Deilmann – Alfred Flechtheim, Münsteraner und später in Düsseldorf und Paris Galerist von Picasso. 57 Abgüsse gibt es, sie befinden sich in den großen Museen der Welt. Auch dieses Werk erwarb Deilmann zu einem günstigen Preis. Auf einer Auktion wurde ein anderer Abguss vor Kurzem für fast 700.000 Euro verkauft.
Auch einen Abzug von Helmut Newtons berühmten „Big Nudes“ besitzt Deilmann – genauer: den ersten von nur drei Abzügen. „Ein Galerist in Berlin stellte den Kontakt zu Newton her, der schickte dann das Werk nach Deutschland.“ Deilmann kaufte es für 8000 Mark. Heute wäre es mehr als 200.000 Euro wert.
Doch Deilmann geht es nicht ums Geld, wie er versichert – „ich habe noch nie ein Werk verkauft“. Er ist vielmehr ein leidenschaftlicher Sammler, der sich eine Kollektion nach dem eigenen Geschmack zusammengestellt hat, „sie steckt voller Erinnerungen und Erfahrungen“. Deilmann hat sich vorgenommen, nun die Leitplanken abzustecken, an denen sich die Sammlung in eine stimmige Richtung entwickeln soll – Post-War, also Nachkriegskunst, soll neben Werken der Zero-Bewegung (zu der unter anderem Heinz Mack gehörte, von dem er einen Lichtflügel besitzt) im Mittelpunkt stehen. „Es wird eine große Herausforderung, diese Sammlung für die Zukunft zu entwickeln“, sagt er. In Kürze wird die „Sammlung Deilmann“ einen Beirat einberufen, der diesen Prozess begleiten soll.
Manchmal kauft Deilmann ganz gezielt, zum Beispiel auf Messen wie der Art Cologne, wo er ein Werk von Kai Schiemenz erwarb – am Stand der Galerie Eigen+Art, deren Gründer Gerd Harry Lybke er seit der Wendezeit kennt. Bei dem Kauf hatte er offenbar den richtigen Riecher. „Zwei Wochen später rief das Kunstmuseum Wolfsburg an und fragte nach, ob ich die Skulptur für eine Sonderausstellung zur Verfügung stellen kann.“
„Sammlung soll zusammenbleiben“
Apropos Lybke: Als Deilmann eine Kurklinik in Leipzig baute, stattete er sie Anfang der 1990er-Jahre mit acht Gemälden des von Lybke vertretenen Malers Neo Rauch aus – für 12.000 Mark, denn Rauch war damals noch unbekannt. „Der Klinikdirektor“, sagt Deilmann und lächelt, „ist mir dafür noch heute dankbar“. Werke von Rauch kosten heute ein Vielfaches.
Manchmal allerdings ist Deilmann einfach nur zufällig auf interessante Kunst gestoßen. Ein Bild von Fred Thieler war 1973 auf der Documenta zu sehen. Kürzlich, in Münster, sprach ihn ein Bekannter an und berichtete, dass genau dieser Thieler heute bei einem Privatmann in Münster an der Wand hänge. Deilmann kaufte ihm das Bild ab – und schwärmt von der hervorragenden Provenienz, also Besitzgeschichte, des Werks. So oft kommt es schließlich nicht vor, dass man an Documenta-Kunst gelangt.
So viele Bilder, so viele Geschichten. Wie geht es weiter? Deilmann würde gerne ein Museum im Stadthafen bauen, es soll Raum für seine Sammlung, aber auch für Sonderausstellungen bieten. Ob die Politik zustimmen wird, ist derzeit ungewiss. Doch egal, wo seine Bilder einmal hängen werden – am wichtigsten sei ihm dies: „Dass meine Sammlung zusammenbleibt.“ Genau deshalb habe er sie in eine Stiftung überführt.